05.06.2006, 10:59
Wurde so in meiner Sonntagszeitung gepostet:
"Eine schöne Werbung haben sie sich da ausgedacht, die VW-Leute: Auf einem Plakat begegnen sich zwei Eos auf einer einsamen Landstraße, der eine offen, der andere geschlossen. Über dem Offenen steht 'Für Optimisten', über dem Geschlossenen 'Für Realisten'. Das ist beim ersten Hinsehen allemal lustiger als damals beim Golf der 'Fährt jetzt auch um die Kurven'.Blödsinn. Beim Darübernachdenken kommt aber eine gewisse Traurigkeit auf.
In letzter Zeit mal wieder Cabrio gefahren ? So ein richtiges Cabriolet alter Schule ? Einen stillen Wiesenrain entlang, die Sonne glüht auf den Armen und durchs Hemd, die Luft riecht alle fünfzig Meter anders. Mal nach Kuhmist, dann nach Gras, dann nach Asphalt. Dann fächelt eine Brise aus dem kleinen Waldstück rüber. Die Windschutzscheibe ist bei den alten Dingern weit vorne, man kann einfach so in den Himmel schielen, ohne den Kopf in den Nacken zu legen. Und natürlich pfeift der Fahrtwind in den Kragen, ungefiltert, denn das gehört so. Windschott ? Gibt's nicht, braucht's auch nicht. Wirklich schnell wird eh nicht gefahren.
Stattdessen knöchelt man eine hakelige Schaltung durchs Viergang-Getriebe, immer schön mit Zwischengas, und der Motor fühlt sich selbst mit 50 oder 75 PS völlig ausreichend an. Eilig haben darf man es im Cabrio eh nicht. Dafür gibt es andere Autos.
An dieser Stelle allerdings kollidieren wir mit der grundlegenden Wirklichkeit der Neuzeit. Heutzutage werden Cabrios 'für Realisten' gebaut. Das kann nur ein grundlegender Fehler sein: Natürlich sehen Marketing- und Vertriebsleute das anders: Realisten gibt es genug. Um noch einmal auf die Eos-werbung zurückzukommen: Das Gegenteil von 'Für Optimisten' ist ja: 'Für Pessimisten'. Aber das schreibt natürlich kein Mensch auf ein Werbeplakat. Dort darf der deutsche Pessimist das sein, als was er sich am liebsten sieht: als einen Realisten.
Nun ist es ja schon schlimm genug, dass sich die Pessimisten überall in der Gesellschaft breitmachen - aber jetzt wollen sie auch noch Cabrio fahren ! Weil sie das wollen und längst schon in der Überzahl sind, baut die Industrie Realisten-Cabrios. Mit starken Motoren, schließlich ist Zeit Geld. Mit ausgetüfteltem Windschutz, denn der Realist als solcher möchte zwar offen fahren, aber bitte ohne WInd. Mit reibungslos knackiger Hightech-Ausstattung, denn Realisten wissen: Wer einfach nur Auto um des Autofahrens willen fährt, schädigt die Umwelt, verstopft die Straßen, verschwendet seine Zeit. Ist insofern hoffnungslos gestrig.
Realisten fahren aus Zweckgrünen: Besorgungen machen, zur Arbeit hasten, sozialen Status demonstrieren. Das ganze Programm des Brusttrommelns, Reviergrenzenbenetzens und Radschlagens eben. Und bei so wichtigen Tätigkeiten stören die bekannten Nachteile eines Optimisten-Autos nur.
Selbstverständlich waren Cabrios schon immer in den besser betuchten Straßen zu Hause, da muss man sich überhaupt nichts vormachen. Kernige Windgesichter, das sind Cabriofahrer früher auch nur deshalb gewesen, weil es in den alten Kisten eben zog wie Hechtsuppe. Aber das hatte einen erzieherischen Effekt: Wer sich auf diese Weise die Banalitäten des Lebens aus dem Kopf gepustet hatte, der konnte hinterher einfach nicht mehr zurück auf das stumpfe Alltags-Niveau. Und genau das machen die neuen Blechdach-Dinger anders und falsch: Sie erziehen sich ihre Fahrer nicht mehr, sondern wienern in serviler Weise hinter den Komfortbedürfnissen des modernen Menschen her.
Aus Cabriofahrern, für die der Ritt in die Sonne und den Wind - und gelegentlich auch in die nächste Gewitterfront - noch ein herrliches Wagnis, ein wochenendfüllendes Vergnügen war, werden Instant-Frischluft-Schnapper. Fünf Minuten das Dach auf, oh, doch zu kalt, Ampel, Knopfdruck, surrr, zu ! Mal ganz ehrlich, Cabrios dieser modernen Machart haben keine In dividualität und keinen eigenen Stil. Ist das nicht eigentlich das Grässlichste, was man über ein Auto sagen kann ?"
Autor: Johannes Riegsinger
"Eine schöne Werbung haben sie sich da ausgedacht, die VW-Leute: Auf einem Plakat begegnen sich zwei Eos auf einer einsamen Landstraße, der eine offen, der andere geschlossen. Über dem Offenen steht 'Für Optimisten', über dem Geschlossenen 'Für Realisten'. Das ist beim ersten Hinsehen allemal lustiger als damals beim Golf der 'Fährt jetzt auch um die Kurven'.Blödsinn. Beim Darübernachdenken kommt aber eine gewisse Traurigkeit auf.
In letzter Zeit mal wieder Cabrio gefahren ? So ein richtiges Cabriolet alter Schule ? Einen stillen Wiesenrain entlang, die Sonne glüht auf den Armen und durchs Hemd, die Luft riecht alle fünfzig Meter anders. Mal nach Kuhmist, dann nach Gras, dann nach Asphalt. Dann fächelt eine Brise aus dem kleinen Waldstück rüber. Die Windschutzscheibe ist bei den alten Dingern weit vorne, man kann einfach so in den Himmel schielen, ohne den Kopf in den Nacken zu legen. Und natürlich pfeift der Fahrtwind in den Kragen, ungefiltert, denn das gehört so. Windschott ? Gibt's nicht, braucht's auch nicht. Wirklich schnell wird eh nicht gefahren.
Stattdessen knöchelt man eine hakelige Schaltung durchs Viergang-Getriebe, immer schön mit Zwischengas, und der Motor fühlt sich selbst mit 50 oder 75 PS völlig ausreichend an. Eilig haben darf man es im Cabrio eh nicht. Dafür gibt es andere Autos.
An dieser Stelle allerdings kollidieren wir mit der grundlegenden Wirklichkeit der Neuzeit. Heutzutage werden Cabrios 'für Realisten' gebaut. Das kann nur ein grundlegender Fehler sein: Natürlich sehen Marketing- und Vertriebsleute das anders: Realisten gibt es genug. Um noch einmal auf die Eos-werbung zurückzukommen: Das Gegenteil von 'Für Optimisten' ist ja: 'Für Pessimisten'. Aber das schreibt natürlich kein Mensch auf ein Werbeplakat. Dort darf der deutsche Pessimist das sein, als was er sich am liebsten sieht: als einen Realisten.
Nun ist es ja schon schlimm genug, dass sich die Pessimisten überall in der Gesellschaft breitmachen - aber jetzt wollen sie auch noch Cabrio fahren ! Weil sie das wollen und längst schon in der Überzahl sind, baut die Industrie Realisten-Cabrios. Mit starken Motoren, schließlich ist Zeit Geld. Mit ausgetüfteltem Windschutz, denn der Realist als solcher möchte zwar offen fahren, aber bitte ohne WInd. Mit reibungslos knackiger Hightech-Ausstattung, denn Realisten wissen: Wer einfach nur Auto um des Autofahrens willen fährt, schädigt die Umwelt, verstopft die Straßen, verschwendet seine Zeit. Ist insofern hoffnungslos gestrig.
Realisten fahren aus Zweckgrünen: Besorgungen machen, zur Arbeit hasten, sozialen Status demonstrieren. Das ganze Programm des Brusttrommelns, Reviergrenzenbenetzens und Radschlagens eben. Und bei so wichtigen Tätigkeiten stören die bekannten Nachteile eines Optimisten-Autos nur.
Selbstverständlich waren Cabrios schon immer in den besser betuchten Straßen zu Hause, da muss man sich überhaupt nichts vormachen. Kernige Windgesichter, das sind Cabriofahrer früher auch nur deshalb gewesen, weil es in den alten Kisten eben zog wie Hechtsuppe. Aber das hatte einen erzieherischen Effekt: Wer sich auf diese Weise die Banalitäten des Lebens aus dem Kopf gepustet hatte, der konnte hinterher einfach nicht mehr zurück auf das stumpfe Alltags-Niveau. Und genau das machen die neuen Blechdach-Dinger anders und falsch: Sie erziehen sich ihre Fahrer nicht mehr, sondern wienern in serviler Weise hinter den Komfortbedürfnissen des modernen Menschen her.
Aus Cabriofahrern, für die der Ritt in die Sonne und den Wind - und gelegentlich auch in die nächste Gewitterfront - noch ein herrliches Wagnis, ein wochenendfüllendes Vergnügen war, werden Instant-Frischluft-Schnapper. Fünf Minuten das Dach auf, oh, doch zu kalt, Ampel, Knopfdruck, surrr, zu ! Mal ganz ehrlich, Cabrios dieser modernen Machart haben keine In dividualität und keinen eigenen Stil. Ist das nicht eigentlich das Grässlichste, was man über ein Auto sagen kann ?"
Autor: Johannes Riegsinger
