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ft/o8 · 10.11.2009, 01:10

Nachdem nun in der vergangenen Woche der erste Schnee überraschend einige Teile Berlins in eine vorweihnachtliche Winterlandschaft verzauberte,
machte ich mir doch seitdem mehr oder weniger ernsthafte Gedanken darüber, dass nun die Zeit der Winterreifen gekommen ist.

In der Regel verdränge ich solche Gedanken ja gerne, da sie auch irgendwie mit solch leidigen Dingen wie Geldausgeben verbunden sind.

Zumal Geld die Eigenschaft hat immer genauso knapp wie Zeit zu sein.
Zeit im Sinne von Müßiggang oder friedvollen gammelns vor der Glotze.

Aber ich drifte ab.

Zurück zum Reifen.
So als Wiedereinsteiger in den Automobilverkehr ist unsereiner gewissermaßen wie ein unwissendes Kind.
Das ist ja in seiner Unschuld auch blauäugig und naiv.

Und so fand ich mich heut Vormittag ganz unschuldig vor einem Reifendiscounter wieder.
Der ist ganz in der Nähe meiner Behausung und "Reifendiscounter " hört sich irgendwie auch ganz gut an.

wg. Punkt 1) Geld ist knapp

Eine Riesenhalle voller Reifenstapel.

" Das sieht ja schon mal ganz gut aus." denk ich im stillen und zwänge mich an den stinkenden Gummidingern vorbei.
Hin zu einem Fenster über dem ein Schild mit der Aufschrift "Beratung und Verkauf" prangt.
Neben dem Fenster ist sogar eine Tür durch die man in eine Art Beratungsraum treten kann.
Fein.
Ein großer bulliger graumelierter Herr mit Mobilfunk am Ohr brüllt mir freudig entgegen:
"Wat woll n se ?"
Das ist die freundliche Berliner Anrede für:
"Was kann ich für sie tun? Ich lese ihnen jeden Wunsch von den Augen ab."

Ich nehme also Haltung an und fasele was von Winterräder montieren lassen. Cooper S. Ob es denn möglich wäre und überhaupt...

Na soviel Sätze auf einmal und dann noch Wünsche haben.
So geht es ja nun nicht.

Der Chef.

Denn es war der Chef persönlich vor dem ich hackenschlagend stand...
Also der Chef prüfte mich erstmal von oben bis unten und ich bekam gleich die Note Sechs setzen.

Durchgefallen.

""Hätte ich Dämel ja auch wissen müssen."
Der Reifencode muß aus dem Hirn purzeln bevor man überhaupt "Guten Tag" sagt.
Insbesondere dann wenn man vom Chef persönlich in den Arm genommen wird.
Chef schickt mich also zurück und bevor ich nicht den Reifenkram auswendig drauf hab darf ich auch nicht wieder reinkommen.
Dann - und das kam so rüber wie die " Gnade Gottes " persönlich - wird sich Frau Müller um mich kümmern.
Da fühlte ich mich schon so richtig auserwählt.
So muss sich Moses gefühlt haben als er die Steintafeln mit den zehn Geboten empfing.
Keine zehn Sekunden später stand ich prustend und hochrot im Gesicht vor Frau Müller.
Die war gerade mit drei Telefonaten zur selben Zeit beschäftigt.
Aber Frau Müller war für mich vom Chef ausgewählt. Sie war meine persönliche VIP Betreuerin.
Die konnte mir keiner wegnehmen.
Nicht die Kunden die hinter mir kamen. Und alle anderen sowieso nicht.
Bis auf die Telefone.
So ein schrillendes Telefon hat ja äußerste Priorität.
Das steht sogar irgendwo im Grundgesetz.
In der Präambel vom Grundgesetz.
Gleich hinter ".. alle Menschen sind frei und gleich..."

Jedenfalls irgendwann (gefühlte drei Stunden) gab es mal ne Zentelsekunde Luft. Da war amtliche Telefonpause. Und ich durfte von neuem meine Eingangsworte abspulen: "Winterreifen. Cooper S. undsoweiterundsofort."
Frau Müller war ja nett.
Hilfreich bemühte sie den Rechenknecht um mir ein atraktives Discounterangebot zu machen.
Doch
jetzt kommts:

Das Elektronenhirn versagte seinen Dienst.

Tastatur putt.
Anheben und schütteln half nicht.

Frau Müllers hilfloser Blick zum Chef :
"Chef der PeZeh ???"
Chef zurück:
" Wat soll s . Kümmern wa uns später drum. Der Kunde kann morgen wiederkommen. Vor Donnerstag kriegt der die Reifen eh nicht aufgezogen "
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Also ich bin da raus und hab erst mal ne schöne Pall Mall, die Rote, angesteckt.

"Das war jetzt keine versteckte Kamera oder Mario Barth testet die Autofahrer."
Das war jetzt real.
Das reale Leben.

Nachdem ich meine Pall Mall mit drei kräftigen Zügen bis zum Filter ausgesaugt hatte, stieg ich wie in Trance in meinen Cooper und fand mich, gefühlte zehn Sekunden, später am Zubehörtresen in Moabit wieder.

Wie ein Kind was in den Brunnen gefallen ist zur Mutter läuft, so bin ich zur Hauptniederlassung des weltbesten Automobilbauers in der Welthauptstadt gefahren.

Yes.

Und hier gibts keine Verkäufer, Berater oder andere Arten von Tunichtguten.

Hier gibt es Nannys.

Die streicheln dich und zeigen Dir erst mal dicke Bilderbücher zur Beruhigung.
Die lassen dich in Ruhe wählen und helfen Dir unermüdlich wenn Du selbst nicht weiter weist.
Die führen dich zu netten Damen, welche mit angenehmen Stimmen wohlwollend den richtigen Schrauber für deine Reifen aussuchen.

Denn für einen Cooper S braucht man schon nen Schrauber mit F1 Erfahrung.
Das macht hier kein Lehrling.

"Lieber Herr Minifahrer.
Es wird nun einen Moment dauern bis ihre Winterslicks aufgezogen sind."
wispert es an mein Ohr.

"Wir bitten Sie um etwas Geduld. Die Minuten des Wartens können Sie ja gut nutzen um sich im "Meilenwerk" die neuen Oldtimer anzuschauen. Wenn Ihnen denn der Regen nichts ausmacht.
Wenn doch, so machen Sie es sich bei uns in der Lounge mit einem Espresso bequem.
Wir holen Sie von dort auch wieder ab "

Die Nanny hat jetzt nicht nur den Lieblingslutscher gezückt. Die hat mir auch gleich noch eine wärmende Wolldecke übergeworfen.

Das Kind holt sich also seinen Espresso ( mit Zucker darf es heute schon sein) zückt sein iPhone um ein paar Levels Tetris zu spielen und steigt in sein Vehikel

und schwebt winterfest von dannen.