Hoi z'säme,
auch auf die Gefahr (oder positiven Effekt im Sinne eines Forum) hin, durch ein wieder Aufwärmen dieses Themas ähnlich reges und z.T. widersprüchliches Kommentieren zu initiieren kann ich nicht umhin meine Sichtweise der Dinge zu schildern.

Prinzipiell beruhen die diversen bereits geschilderten und hierin erneut aufgegriffenen Unterschiede
der Fahrsicherheitsysteme nicht nur in den unterschiedlichen MINI-Generationen (R50-53 und R55, R56)sondern auch in Modellpflegemassnahmen innerhalb einer Baureihe (R55/R66). Ich berufe mich im Folgenden auf die Angaben der Betriebsanleitungen des R55 von 11/2007 und 2009 sowie praktische Erfahrungen mit meinem 2010er R55.
Zunächst nochmal zur Erklärung der Begrifflichkeiten (Quellen:
MINI Handbücher,Website und
WIKIPEDIA).
FAHRSTABILITÄSREGELSYSTEME des MINI:
ABS (nur der Vollständigkeit halber, denn ohne dies sind die anderen Systeme nicht sinnvoll einsetzbar):
incl. Cornering Brake Control CBC, Elektronische Bremskraftverteilung EBV sowie Bremsassistent
DSC (Dynamische Stabilitäts Control): verhindert ein Durchdrehen der Antriebsräder beim Anfahren und Beschleunigen. Darüber hinaus werden instabile Fahrzustände (ausbrechen des Heck, schieben über die Vorderräder) erkannt und helfen somit das Fahrzeug innerhalb der physikalischen Grenzen auf sicherem Kurs zu halten. Dies geschieht durch Reduzierung der Motorleistung und Bremseingriffe an einzelnen Rädern. DSC enthält ABS, EBV, Bremsassistent und CBC sowie die Berganfahrhilfe.
In der Bedienungsanleitung von 2007 werden sowohl ASC+T und DSC als Optionen und parallel erwänt. Laut Handbuch setzt sich das DSC wie folgt zusammen: ASC+T, ABS, Bremsassistent, Berganfahrhilfe . Auch der Knopf zum aktivieren/deaktivieren ist parallel mit ASC OFF und DSC OFF beschrieben. Wahrscheinlich hat MINI zu dem Zeitpunkt, DSC als Sonderzubehör zum ?serienmässigen? ASC+T angeboten und deshalb beide Begriffe geführt, ist dann aber zu DSC übergegangen (welches ASC+T beinhaltet), und erwähnt nun ASC+T wieder auf der (CH) Webite:
ASC+T (Automatische Stabilitäts Control + Traktion): ASC+T verhindert ein Durchdrehen der angetriebenen Vorderräder und sorgt für optimales Anfahrverhalten und sichere Traktion. Es werden aber nicht einzelne Räder abgebremst sonden "einfach nicht mehr angetrieben".
Beide Systeme (DSC und ASC+T) werden also parallel erwähnt und DSC ist quasi die Weiterentwicklung von ASC+T. Im Sinne der Worte unterscheiden sich
Automatisch und
Dynamisch durch "automatisches Verhindern des Durchdrehens" und "dynamischem, gezieltem Bremseingriff". In Bezug auf das Resultat beim Anfahren bewirken beide quasi das gleiche aber durch andere Massnahmen und somit weisst das
+T nochmals explizit auf die "nur-Anfahrhilfe", die es ja vor den Stabilitäts-Kontrollsystemen schon gab, hin.
DTC (Dynamische Traktions Control) beinhaltet eine EDLC (siehe unten): Eine auf Vortrieb optimierte Variante des DSC. Das System gewährleistet (bei besonderen Strassenverhältnissen z.B. Schnee) maximalen Vortrieb, jedoch mit eingeschränkter Fahrstabilität.
Die optionale Dynamische Traktions Control (DTC) gibt dem Fahrer die Möglichkeit, aktiver das Eigenlenkverhalten des MINI Clubman zu nutzen. Die elektronische Differenzialsperre EDLC erkennt einen zu hohen Radschlupf am kurveninneren Rad und bremst es für bestmöglichen Vortrieb in Kurven und bei unterschiedlichen Fahrbahnverhältnissen geregelt ab.
Sperrdifferential: Ein Sperrdifferential ist ein spezielles Differentialgetriebein einem mehrspurigen Kraftfahrzeug und dient dazu, Schlupf (im Extremfall Durchdrehen) am Rad mit der geringeren Bodenhaftung zu vermindern, indem es entweder den Antriebsstrang versteift (Drehzahlausgleich vermindert) oder mehr Drehmoment auf das Rad mit der besseren Bodenhaftung verteilt.
Es gibt eine Reihe von Situationen, in denen ein Sperrdifferential vorteilhaft ist:- Anfahren unter schwierigen Bedingungen, Geländefahrt: Das Sperrdifferential leitet das Antriebsmoment von einem durchrutschenden Rad auf das Rad mit der besseren Bodenhaftung um und verbessert so die Traktion.
Entspricht quasi dem von MINI vorgeshenen Verwendungszweck (s.o. DTC)
- Start an Einmündungen, etwa Ausfahrt von der Tankstelle: Beim Anfahren mit starkem Beschleunigen (beispielsweise auf eine bevorrechtigte Straße) wird verhindert, dass das kurveninnere Rad abhebt und durchdreht. So kann die Leistung auf die Straße geleitet und das Fahrzeug sicher in den Verkehr eingefädelt werden.
- Geradeauslauf: Eine gesperrte Achse läuft besser geradeaus als eine ungesperrte. Daher reduziert sich die Wirkung beispielsweise von Seitenwind oder der Bernoulli-Effekt beim schnellen Vorbeifahren an Lastkraftwagen.
- Handhabung bei sportlich gefahrenen Kurven (das ist es doch was wir wollen
): Bei hoher Querbeschleunigung wird das kurveninnere Rad entlastet und das kurvenäußere Rad belastet. Dadurch schlupft das innere Rad stärker, bis es ebenso schnell oder schneller dreht als das kurvenäußere Rad. Das Sperrdifferential verhindert nun, dass das kurveninnere Rad durchdrehen kann und damit den Leistungsfluss auf die Straße unterbricht. Neben der höheren Kurvengrenzgeschwindigkeit untersteuert das Fahrzeug weniger, weil die ungleichmäßige Kraftverteilung an den Rädern (das äußere Rad überträgt nun mehr Moment) ein Giermoment um die Fahrzeughochachse erzeugt, das ein Eindrehen (Übersteuern) begünstigt. Ist die Sperrwirkung auch im Schiebebetrieb vorhanden, so kehren sich die Kraftflüsse um, das entstehende Giermoment bewirkt ein verstärktes Untersteuern und damit ein Stabilisieren des Fahrzeuges. Diese Charakteristik wird gezielt im Rennsport genutzt.
Ich denke also wir sind uns generell einig, dass ein Sperrdifferential eine sportliche Fahrweise begünstigt, oder?
Sperrdifferentiale sind nicht mit Antriebschlupfregelungen zu verwechseln, allerdings sind normale Differentiale Bestandteil von solchen Antriebsschlupfregelungen, und durch die große Verbreitung von Elektronischen Stabilitätsprogrammen (ESP) -
also unserem DSC -
bieten Antriebsschlupfregelungen vor allem zusammen mit drehmomentfühlenden Sperrdifferentialen Vorteile.
Die Antriebsschlupfregelungen werden aufgrund der Übersetzung aus dem Englischen (Traction Control) auch ‚Traktionskontrollen‘ genannt, herstellerspezifische Bezeichnungen sind z. B. ASC oder ASR.
- Hier verwirrt uns BMW/MINI

, indem das (als Sonderzubehör ab R55 verfügbare)
DTC in einem Atemzug mit der
EDLC genannt wird, und somit die Annahme Nahe liegt, beim DTC handele es sich
"nur" um eine (elektronische) Differentialsperre. Und wie auch auf der Website unter EDLC erklärt geht es dabei um aktives Eigenlenkverhalten und bestmöglichen Vortrieb in Kurven und enstpricht somit den Erwartungen von sportlicher Fahrweise und dem Grund weshalb gerade in den 60er und 70ern sportliche Autos mit (fixen) Differentialsperren ausgeliefert wurden. Aber:
Sie (die Sperrdifferentiale) sind inzwischen Bestandteil des elektronischen Fahrstabilitätsprogrammes des Fahrzeuges (ESP). Diese Lösungen ahmen teilweise den Effekt des Sperrdifferentials nach, haben aber auch Nachteile, denn im Vergleich zu Sperrdifferentialen, denn sie bremsen die Motorleistung in erheblichem Umfang weg.- Bei elektronisch gesteuerten Sperrdifferentialen wird die Wirkung und der Einsatz der Sperre von einem Fahrdynamik-Regler im Fahrzeug gesteuert
Bedienung:
- Die DSC (ASC+T) ist generell aktiv.
- Die DTC (sofern als Zubehör vorhanden) kann durch drücken des "DTC Knopfes" (ganz rechts vor dem Schalthebel) aktiviert werden. (Bei Fahrzeugen ohne DTC ist der Knopf mit "DSC OFF" angeschrieben.) Die entsprechende Kontrollleuchte (dritte von rechts im Tachometer) leuchtet (permanent) und kurzzeitig wird der Text DTC im Drehzahlmesser angezeigt. Zum deaktivieren des DTC, Knopf erneut drücken.
- DTC und DSC gemeinsam
deaktivieren:
Knopf "DTC" für mindestens 3 Sekunden drücken. Die Kontrolleuchten im Drehzahlmesser ("Warndreieck" mit Ringpfeil linksherum, vierte von rechts) geht und bleibt an dazu wird das gleiche Symbol im oberen Anzeigefeld angezeigt.
Laut Bedienungsanleitung: "
DTC und DSC werden gemeinsam deaktiviert. Stabilisierende Eingriffe werden nicht mehr ausgeführt"
ABER
Im Sinne einer Differentialsperre werden auch bei deaktiviertem DSC und ungleichmässig durchdrehenden Antriebsrädern Bremseingriffe für besseren Vortrieb ausgeführt.
- Im 2007er Handbuch wird beim deaktivieren von leuchtenden ASC+T bzw. DSC Kontrollleuchten gesprochen. Ebenso wird die Aussage gemacht, dass "stabilisierende und Vortrieb fördernde Eingriffe nicht mehr ausgeführt werden, aber nichts von Bremseingriffen, auch bei deaktiviertem DSC, wie bei Modellen mit DTC.
Fazit:
Tim hat vor seiner Testfahrt wohl schon das Handbuch gelesen (im Bild ist zu erkennen, das DTC nicht aktiviert ist, aber leider sieht man nicht auf den Drehzahlmesser, um zu erkennen ob DSC und DTC deaktiviert wurde, ich gehe aber davon aus) und nicht so wie in einem unsachlichen Kommentar direkt auf YouTube abgegeben. Die, auch bei abgeschalteten Fahrhilfen stattfindenden Bremseingriffe, tragen sicherlich zu einer "wenigerer dem Fahrer selber überlassenen" Dynamik bei. Mit der früheren "statischen" Differentialsperre war dies im Vergleich sicherlich anders.
Ich gehe davon aus, das BMW/MINI eine (kluge?) Mischung von (agilem) Marketing und (defensivem) Sicherheitsdenken verfolgt, indem über (das immerhin kostenpflichtige Extra) DTC von aktiverem Einlenkverhalten und bestmöglichem Vortrieb gesprochen wird (also ganz im Sinne von traditionallen Sperrdifferentialen) aber gleichzeitig das DTC als (temporäre) Hilfe zum besseren Anfahren trotz aktivem DSC angepriesen wird.
Ohne Frage sind klassische Sperrdifferntiale oder MINIs ohne DTC mehr "dem Fahrerischen Können" ausgeliefert, bzw. verlangen dannach und ermöglichen somit wohl mehr Fahrspass auf der Rennstrecke. Andererseits sollten die Sicherheitsaspekte nicht gänzlich ausser Acht gelassen werden und wenn ich die Kombination von Sperrdifferntial und aktiven Fahrhilfen haben kann, nutze ich diese gerne - wenn ich den MINI nicht nur zum Zwecke des Bewegens auf der Rennstrecke nutze. Gerade das bessere Anfahren bei Schnee mit DTC ohne auf DSC verzichten zu müssen, wird wahrscheinlich dem häufigeren Anwendungszweck entsprechen als der Rennstreckeneinsatz.
Hoffe es waren auch ein paar interessante Infos dabei.
Grüessli, Eric