[Rohri]

Habe den richtigen WM-Thread nicht mehr gefunden, deshalb hier rein

Herrlicher Artikel aus den Nürnberger Nachrichten:

Applaus für King Khan
Vom Unterschied zwischen WM und Bundesliga

Was ist los, Nürnberger? Da ist euer Club ruhmreich Tabellenführer, und am Abend in der Stadt: keine Gefühlswallungen, kein Autokorso, kein neuer, heiterer, völlig unbefangener Lokalpatriotismus zwischen Lorenz- und Sebalduskirche, kein Nichts - und Stimmung am Samstag nur bei King Khan, welches kein Torwart-Titan, sondern eine beim zu Recht berühmten Brückenfestival umjubelte Woodoo-Soulkapelle ist.

Und Stuttgart erst, wo die wundervolle deutsche Mannschaft vor fünf Wochen ihren dritten Platz so schön gefeiert hat: Nicht einmal 40 000 kamen am Samstag ins Daimler-Stadion, wo die Fangesänge mangels Inbrunst der im Alltag skeptischen Schwaben vom Tonband kamen.

Kein Wunder, dass Werdertrainer Schaaf die im offiziellen Magazin der Deutschen Fußball-Liga DFL gestellte Frage, was die Weltmeisterschaft denn nun gebracht habe, auf Werder-Art bündig beantwortete: nichts.

Jetzt, da kiloweise Aufsätze über die Frage geschrieben wurden, ob die große Fußball-Party in der Liga weitergeht, ist sie definitiv vorüber - was allerdings bloß den leicht spinnerten In/Out-Kolumnisten der Bildzeitung („Schwarzrotgeil, wir machen einfach weiter“) überrascht haben dürfte und vielleicht ein kleines bisschen auch die DFL, die - um Wallungen wenigstens vorzutäuschen - ein etwas zu pompöses Eröffnungsspektakel veranstaltete mit Liga-Cantus und Nationalhymne (der deutschen, obwohl elf ausländische Profis auf dem Platz standen).

So konnte das nicht funktionieren. Nicht, weil, wie andere Schöngeister behaupteten, die WM bloß ein Partyvölkchen lockte, das sich jetzt dem Papst zuwendet, weil die Bundesliga zu anstrengend ist - dann hätten die Leute ja nicht so furchtbar geweint nach dem 0:2 gegen Italien am 4. Juli. Franz Beckenbauer hatte es schon während der Sommertage erklärt, es ist ganz einfach: „So etwas gibt es nie wieder“, sagte er und hatte natürlich, wie immer, Recht. Ein schöner Traum wäre schließlich keiner, würde er nicht irgendwann enden.

Die Bundesliga ist etwas vollkommen anderes als eine WM: Wenn jetzt, wie zum Auftakt, Schwarzrot einfach geil ist, dann freut sich der jahrelang leidgeprüfte Club-Fan in Nürnberg; dass der gerade furchtbar gedemütigte VfB-Freund da nicht mitfeiert, ist nur zu verständlich. Die Liga eint ja nicht, ihr großer Reiz besteht in traditionellen Rivalitäten - und man darf sicher sein, dass King Kahn, der nationale Schmusetorwart, in 14 Tagen beim Südvergleich von den Nürnberger Anhängern wieder tüchtig ausgepfiffen wird. Man sollte es nicht missverstehen: Böse ist das nicht gemeint, es gehört sich, alten Traditionen folgend, eben so.

Übrigens waren die Ordner in Stuttgart überwiegend wieder wunderbar unfreundlich und ließen frierende Nürnberger nicht eine Minute früher als es die Vorschrift wollte ins Stadion - dabei so skeptisch die Tickets prüfend, als hätten sie Eierdiebe vor sich. Es war ja nicht die Welt zu Gast bei Freunden, sondern bloß die Franken bei Schwaben. Aber wartet bloß, wenn Rückspiel ist!