03.03.2012, 15:11
TouchS schrieb:Dieser Beitrag ist ausschließlich an diejenigen gerichtet die Ihr Auto in Richtung Fahrdynamik optimieren wollen, keinesfalls an die "Optik" Freaks:
5) Reifen: [...] Mit einer niedrigen Flanke holt sich derjenige der an Fahrdynamik statt an Optik interessiert ist aber nur Nachteile ins Haus. Je niedriger die Flanke desto geringer die Eigenschaft des Reifens zu Federn (Komfort) gleiches gilt auch bei höheren Flanken
für Runflats (Notlaufeigenschaften). Viel schlimmer: Der Reifen verliert seine Fähigkeit sich der Strasse anzupassen und damit den Grip. Im Rennsport werden deshalb höhere Flanken 45 oder 50ger + gefahren in der Formel 1 sogar ballonartige Reifen... Ein Niederquerschnittsreifen sieht zwar schön aus, hat aber nichts mit sportlichem Fahrverhalten zu tun... Es gibt allerdings auch konstruktionsbedingte Unterschiede so baut Michelin z.B. eher Reifen mit weichen Flanken...
Danke für den super Beitrag - an der zitierten Stelle hätte ich allerdings noch eine Ergänzung bzgl. des fahrdynamischen Einflusses der Flankenhöhe (man merkt dabei schnell, dass nicht die absolute Flankenhöhe für praktisch alle Aspekte der Fahrdynamik (und auch der Reifenherstellung) ausschlagebend ist, sondern das auch in der Reifenbezeichnung angegeben Verhältnis zw. Reifenhöhe und Reifenbreite):
Deine Aussagen bzgl. der Federung / Dämpfung sind nachvollziehbar und decken sich mit dem, was ich sonst bisher las.
Bzgl. der Hochgeschwindigkeitseignung findet sich im "Fahrwerkhandbuch" von B. Heißing der Hinweis auf S. 369, dass die Hochgeschwindigkeitstauglichkeit durch "Breitreifen wg. des niedrigeren Reifenquerschnitts erheblich besser geworden" ist. So wäre es "nahezu undenkbar, einen ZR-Hochgeschwindigkeitsreifen [> 240 km/h] in der Serie 80 [H:B = 0,8] zu bauen". (Ich vermute, der Grund liegt in der bei höhern Flanken erhebliche höheren Erwärmung wg. eben der besseren Dämpfung (Dämpfung ist ja nix anderes als die Umwandlung von einer nahezu beliebigen Energieform in Wärme).
Bzgl. der Kraftübertragung finde ich hab im "Fahrwerkhandbuch" leider nix Konkretes. In dem (die Vorlesung Fahrzeugtechnik II an der RWTH Aachen begleitenden) Buch "Vertikal-/Querdynamik von Kraftfahrzeugen" (H. Wallentowitz) steht auf S. 133, dass kleinere Höhen-Breiten-Verhältnisse auf Grund der größeren Reifenaufstandsfläche ("Latsch") geringere und gleichmäßigere Flächenpressung im Latsch und damit bessere Kraftübertragung zw. Laufstreifen und Fahrbahn ermöglichen.
In meinem Buch "Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik", was sich im Ggs. zu den zuvor genannten nicht an Akademiker und solche, die es werden wollen, sondern an Azubis in dem Bereich wendet, wurde ich fündig. Dort (S. 444-445) stehen folgende Sätze:
"[...] Die Entwicklung ging vom beinahe kreisrunden Profil (Ballon) immer mehr in Richtung des flacheren und breiteren Querschnitts. Breitere Laufflächen und niedrigere Flanken habe größere Fahrsicherheit zur Folge, was bei den zunehmenden Geschwindigkeiten von großer Bedeutung ist. [...]"
Es werden im Verlauf Reifenkategorien vorgestellt, angefangen vom
- Ballon-Reifen mit Höhen-Breiten-Verhältnis von 0,98:1 ("infolge ihrer großen Reifenhöhe eine gute Federung aber eine schlechte Seitenführung")
über einige andere hin zum
- "70er-Reifen (H:B = 0,7:1): Vorteile sind die höhere Haftkraft auf der Fahrbahn und das spurtreue Verhalten. Die höheren Seiteführungskräfte erlauben größere Kurvengeschwindigkeiten."
und zum
- "50er-Reifen (H:B = 0,5:1): "Unempfindlicher gegen seitliche Verformung durch den niedrigen, flachen Querschnitt; Hohe Seitenstabilität beim Anlenken von Kurven, Aufbau von großen Seitenkräften schon bei kleinen Schräglaufwinkeln, dadurch hohe Kurvengeschwindigkeiten möglich; präziseres Ansprechen auf Lenkradbewegungen. Nachteile: Geringere Eigenfederung, Komforteinbuße, größerer Kraftaufwand beim Lenken."
Damit ergibt sich nun folgendes Bild aus fahrdynamischem Blickwinkel: Offensichtlich möchte man die Breite der Lauffläche konstruktiv so weit wie möglich erhöhen, da sie die Kraftübertragung maßgeblich erhöht. Die Frage, die sich dann stellt, ist, ob man gleichzeitig auch die Flankenhöhe erhöhen sollte.
Einerseits nein, da man den Gesamtdurchmesser eines Rads so gering wie möglich halten möchte (die minimale Felgengröße ist durch die Bremsen limitiert), um die Rotationsenergie und den Drehimpuls zu minimieren. Außerdem scheint mir gefühlt und lt. zitierter Literatur klar, dass der Grenzfall einer extrem hohe Flanke den Kraftschluss auch nicht verbessert.
Andererseits ja, da kommt dann TouchS' Argument, was ich bei der Betrachtung eines Grenzfalls (etwa: auf Alu-Zylinder als Felge wird eine dünne Gummischicht aufgedampft, um eine minimale Flankenhöhe zu erhalten) nachvollziehen kann; d. h. bei sehr geringen Flankenhöhen wird die Kraftübertragung wohl tatsächlich stark beeinträchtigt (Vermutung, hier wäre Deine Quelle, TouchS, höchst interessant!).
Das würde bedeuten, dass das H:B-Verhältnis einen Kompromiss darstellt. Lt. der zitierten Literatur ist er sicher unterhalb eines 50er Reifens zu finden, wo genau, habe ich allerdings noch nirgends finden können. Die Formel 1 fährt 45er und 55er ("dry front Formula One tyre is 270/55 R13, whilst a rear is 325/45 R13"), also nicht wie von Dir vermutet, Ballonreifen, siehe http://www.f1technical.net/features/10862. (Allerdings ist auch bei der Formel 1 nicht gesagt, dass es zu 100% auf Fahrdynamik optimiert ist, insofern ist das eher ein schwaches Argument für einen Kompromiss bei ca. 50.)
Es wäre also hochinteressant zu erfahren, ob jemand hier eine Aussage hat, wie die Abhängigkeit zwischen Kraftübertragung und Flankenhöhe (bei konstanter Reifenbreite) ausschaut?