Es gibt so Arbeitstage, an die erinnert man sich besonders gerne zurück! Auch wenn von 10 Stunden nur gute 5 Minuten das Salz in der Suppe ausmachten!
Im Untergeschoss unseres Schauraums finden unter Anderem unaufbereitete Lagerwagen, zur Auslieferung bereitstehende Kundenfahrzeuge und zeitweise ein paar Wagen aus der chef’schen Privatsammlung ihren Platz. Trotz ein paar Duzend Stellplätzen herrscht jedoch zeitweise Platzmangel, sodass sich die Fahrzeuge bis zur Lifttür stauen

. Sollte eine Entspannung der Lage in naher Zukunft nicht absehbar sein, müssen wir mal wieder über eine Zwangsumsiedlung nachdenken und die eine oder andere Edelkarosse zu einem weiteren Standort, ein paar Kilometer entfernt, überführen. Die Wahl an diesem Tag fiel auf 2 entbehrliche Fahrzeuge des japanischen Allradspezialisten. Nach der Mittagspause sollte der Ortswechsel stattfinden.
Die Nahrungsaufnahme wurde erfolgreich abgeschlossen, ich entwendete der Werkstatt 2 Garnituren Probekennzeichen und ging zur Neuwagenhalle um die beiden Subis abfahrtsfertig zu machen. Mein Chef war jedoch mal wieder schneller, fuhr bereits das zweite Fahrzeug aus dem Lift und stieg mit den Worten: "Wir nehmen doch diese Zwei" aus. "Diese Zwei" ... waren Fahrzeuge aus seiner Privatsammlung. Das machte das Ganze schon mal spannender!

Also Kennzeichen montiert, Sprit war genug drin und los ging es. Ich folgte meinem Boss auf der Hauptstraße durch den Ort. Zwischen uns haben sich drei Zivilisten reingeschummelt, aber nach ein paar hundert Metern bogen wir sowieso ab und wir fuhren im Doppel weiter durch die Wohnhaussiedlungen. Hier folgten wir an diesem sonnigen Herbsttag gemütlich einem Kombi. Zwischendurch eine kleine, einen Bach tangierende, Rechts-Links-Rechts-Schikane zum Munter werden, denn schön langsam musste ich meine Sinne schärfen. Ich kannte den Weg der vor uns lag. Nicht mehr lange bis sich direkt nach dem Ortsendeschild ein Wald aufbaut und die Straße sich in alle Richtungen windet. Ich freute mich auf den Abschnitt, hoffte dass unser Pacecar die Strecke noch rechtzeitig freigibt und konnte zu dem Zeitpunkt doch nicht erahnen was mich da Vorne erwartet. Wir steigerten das Tempo. Ein 70iger Schild erlaubte uns das. Nur noch wenige Häuser. Der Fahrtrichtungsanzeiger des Kombis informierte uns über dessen bevorstehenden Richtungswechsel. Während dieser kurz darauf seine Ankündigung war machte und seinen Blick nach rechts wendete, kurz mal das Gas gelupft und im Akkord umfuhren wir unser letztes Hindernis. Perfekter Gleichklang!

Da kribbelt es offensichtlich bei Jemandem genauso wie bei mir!

Noch eine Gerade, etwa 400 Meter, das Ortschild ist bereits in Sicht.
Der Countdown war noch nicht ganz bei Null angelangt. Wenige Meter vor der Grenze vernahmen meine Ohren ein paar kurz aufeinander folgende Knallgeräusche gefolgt von einem sich in die Höhe schraubenden Motorsound.

Einen Tick früher als ich es gedacht hätte zog das grüne Gefährt vor mir die Steigung in den farbenfrohen Wald hinauf. Die erste Überraschung ist ihm gelungen. Ohne weiter zu zögern tat ich es meinem Schrittmacher gleich, änderte meine Gangwahl den Anforderungen entsprechend, nahm die Verfolgung auf und röhrte in den Wald hinein.
Die Gänge 2 und 3 sollten auf dem folgenden Abschnitt meine besten Freunde werden. In der ersten schnellen Kurvenkombination konnte ich den Abstand zwar nicht verringern, jedoch wurde er mich auch nicht los. Erst drei aufeinander folgende 180°-Kehren konnten das Blatt ein wenig zu meinen Gunsten wenden. Ich setzte meine Bremspunkte später als mein Vordermann und übte dafür mehr Druck am Pedal aus. Der letzte Flugrost an den Bremsscheiben hat sich nun auch verabschiedet, jedoch machte sich die lange Standzeit meines Gefährts insofern bemerkbar, als das die Reifen in diesen engen Kurven rasch um Gnade winselten. Ich machte ein paar Meter gut. Andererseits verständlich, dass der Pilot des Führungsfahrzeuges sein Schätzchen schonen will. Im ersten Anflug hatte ich daran gar nicht gedacht

und reduzierte sogleich die leichte Übermotivation in meinem Fahrstil zugunsten einer materialfreundlicheren Gangart. Mit meinem Ego konnte ich das vereinen, da sich der Abstand in dem Moment auf ein verträgliches Maß einpendelte. Nicht zu weit um als Lusche dazustehen und auch nicht so nah um den Eindruck eines hirnlosen Vollgasfuzzis zu hinterlassen. Also ganz meinem Naturell entsprechend

. Und außerdem: Wie sieht das aus, wenn mein Chef in seinem Rückspiegel mich mit seinem Auto in den Wald abfliegen sieht!

Soweit lass ich es gar nicht erst kommen.
Doch von nun an ging es bergab. Der Höhepunkt des Hügels war erreicht, der Wald lichtete sich jedoch noch lange nicht und die Straße gab keine Hinweise von sich, sich zu begradigen. Schnelle Kurvenfolgen wechselnden sich mit engen Kurven ab, in deren Verlauf man sich keinen vorzeitigen Überblick über etwaige Hindernisse in oder nach der Biegung verschaffen konnte. Also kurzes lupfen des Pedals, etwaiges scharfes Anbremsen im Zehntel-Sekunden-Bereich um nach reflexartigem Lagecheck die Spritzufuhr sogleich wieder zu erhöhen. Auf dem Abschnitt konnte mein Tempomacher seine langjährige Streckenkenntnis umsetzen, denn obwohl ich den Weg gedanklich ohne weiteres aus dem Gedächtnis abfahren könnte, so kennt er wohl jede Erhebung, jede Senke, jeden Belagswechsel, jede Quer- und Spurrille beim Namen! So konnte er auf diesem Abschnitt den Abstand wieder ein wenig zu seinen Gunsten verändern. Und wie gesagt: Ich wollte sein Schätzchen ja heil zum Endziel bringen!

Der öffentliche Verkehr meinte es gut mit uns und lies sich während unserem forcierten Ortswechsel nie blicken und die Waldbewohner hielten wir mit Knall-, Röhr- und Quietschlauten auf Distanz. Also die üblichen Geräusche die so ein Kraftfahrzeug bei fröhlicher Behandlung von sich gibt!
Der Wald lichtete sich und unser Ziel erschien am Horizont. Ich tat es meinem Vordermann gleich, blinkte und fuhr von der Hauptstraße zum Gelände ab. Im dem Moment, als ich mit meinem Gefährt die letzten Meter bis zu Stillstand rollte, stieg mein Brötchengeber aus seinem Auto um das Tor zu öffnen. Dabei misslang es ihm, ein Lächeln vollständig zu unterdrücken und in seinen Augen, welche mich anstrahlten, vernahm ich die Frage: "War DAS nicht geil?!". Ich denke er kannte die Antwort selbst, mein Grinser von einem Ohr zum anderen hat ihm das aber zusätzlich noch bestätigt!
Wir parkten die beiden Spaßmacher vorerst in zwei Container und warteten auf unsere Abholung. Warum brauchte der Kollege, welcher zeitgleich mit uns startete nur so lange?
Fast vergessen zu erwähnen: Ich verfolgte meinen Arbeitgeber mit einem R55 JCW, während dieser seinen WC50 pilotierte!